Filmgenre

Einmal Screwball-Komödie, bitte!

Seit Beginn der Tonfilmära begeistert die Screwball-Komödie mit sprühend-bissigen Dialogen, exzentrischen Figuren und einer witzigen Liebesgeschichte. Kein Wunder, dass zu diesem Genre einige der besten US-Komödien aller Zeiten gehören.

M. Rösner | 6. Februar 2023

(Grafik: Popcornzeit)

Nachdem Ellie Andrews ein Auto zum Trampen anhält, indem sie ihr Bein am Straßenrand entblößt, ätzt Peter Warne: „Warum haben sie sich nicht ganz ausgezogen? Dann hätten gleich vierzig Autos gehalten.“ Ellie: „Ich werde daran denken, wenn wir vierzig Autos brauchen.“

Dieser verbale Schlagabtausch stammt aus der legendären Screwball-Komödie „Es geschah in einer Nacht“ aus dem Jahr 1934. Unter der Regie von Frank Capra liefern sich die beiden Hauptdarsteller Claudette Colbert und Clark Gable einen witzigen, ebenbürtigen Kampf der Geschlechter – was damals eine ganz neue Art der Filmunterhaltung darstellte.

In dem Film wird die verwöhnte Ellie Andrews (gespielt von Claudette Colbert) von ihrem schwerreichen Vater auf seiner Jacht in Florida festgehalten. Er will die kürzlich geschlossene Ehe seiner Tochter mit einem Playboy auflösen lassen. Elli flieht und versucht unerkannt mit dem Bus nach New York City zu ihrem frischvermählten Ehemann zu gelangen. Im Bus trifft sie auf den arbeitslosen Reporter Peter Warne (Clark Gable). Der erkennt sie und wittert eine gut bezahlte Story.

Mit der Daumenmethode kommt man beim Trampen manchmal nicht weit, ein nacktes Damenbein muss her. Claudette Colbert und Clark Gable im ersten „Big Five“ Film. (Foto: Sony Pictures)

Indes sieht sich Ellie zum ersten Mal mit den Auswirkungen der schweren US-Wirtschaftskrise konfrontiert. Während des zweitägigen Road-Trips streiten die beiden fast unentwegt und verlieben sich ineinander.

Legendär wurde diese Screwball-Komödie als sie im Jahr 1935 zum ersten Mal fünf Oscar-Awards in den begehrten Hauptkategorien bester Film, beste Regie, beste Hauptdarstellerin, bester Hauptdarsteller sowie bestes Drehbuch erhielt. Und damit zu den drei einzigen Filmen gehört, die jemals die „Big Five“ absahnten. Zu den anderen beiden zählen „Einer flog über das Kuckucksnest“ (1975) und „Das Schweigen der Lämmer“ (1991).

Erfolg des ersten „Big Five“ gründete auf der US-Wirtschaftskrise

Zu Beginn der 1930er-Jahre sehnte sich das von der US-Wirtschaftskrise (1929-1939) gebeutelte Kinopublikum nach Filmen, um aus der Realität zu flüchten. Da das Geld bei den meisten immer knapper wurde, schwand das Interesse an Filmen, die über ausschweifende Partys und Extravaganz erzählten. Dabei hatten die großen Filmstudios in Hollywood von 1930 bis 1934 trotz Wirtschaftskrise mit Tonfilmen, in denen Sex und Gewalt sowie Prunk und Verschwendung gezeigt wurden (die sogenannten Pre-Code-Filme) gut Kasse gemacht. Doch zunehmend empfand das Kinopublikum Hollywood und ihre Filme als dekadent und zynisch. Stattdessen bevorzugte es immer öfter romantische Komödien.

Der Druck auf die Filmstudios, den Moralkodex (auch Hays Code genannt, in dem unter anderem Sex und Gewalt nicht mehr offen dargestellt werden durfte), endlich umzusetzen, wuchs. Um diesen ein wenig zu umgehen, nutzen die Studios Dialoge als Erzählelement, die sich durch den noch jungen Tonfilm großer Beliebtheit erfreuten. Insbesondere in „Es geschah in einer Nacht“ sowie in Howard Harks Screwball-Komödie „Napoleon vom Broadway“ (1934) wurden verbale Auseinandersetzungen zwischen den Geschlechtern genutzt, um sexuelle Elemente in die Film-Handlung zensurfrei einzubauen. Beide Filme entwickelten sich zu Kassenschlager und läuteten bis Mitte der 1940er-Jahre in Hollywood die Ära der klassischen Screwball-Komödien ein.

Noch hängt zwischen Elli Andrews (Claudette Colbert) und Peter Warne (Clark Gable) eine Decke. Szene aus „Es geschah in einer Nacht“, der Film ist als DVD und Blu-ray erhältlich. (Foto: Sony Pictures)

Gesellschaftskritik an den oberen zehntausend

In „Es geschah in einer Nacht“ fügte der dafür Oscarprämierte Drehbuchautor Robert Riskin erstmals einige moralische Seitenhiebe auf die reiche Oberschicht ein. Diese Gesellschaftskritik kam beim Kinopublikum großartig an. Woraufhin in den nachfolgenden Screwball-Komödien die reiche Oberschicht nie gut wegkam und oft als vergnügungssüchtig und verantwortungslos dargestellt wurde. Hübsch spöttisch in dem Film „Mein Mann Godfrey“ (1936) von Gregory La Cava. In dem Film suchen zwei verwöhnte Töchter aus sehr reichem Hause während einer dekadenten Schnitzeljagd einen Menschen, der durch die Wirtschaftskrise alles verloren hat. Sie finden Godfrey (William Powell) auf einer Müllkippe und stellen ihn kurzerhand als Butler ein. Dabei funkt es zwischen Godfrey und Irene (Carole Lombard), einer der beiden wohlhabenden Töchter. Kurze Zeit später wendet sich das Blatt und Godfrey muss der einst wohlhabenden Familie helfen, nicht komplett zu verarmen.

Mit viel Power zum Liebes-Happy-End

Neben der Gesellschaftskritik sind alle Screwball-Komödien, die zwischen 1934 und 1944 entstanden, geprägt von einer witzigen Liebesfilmhandlung, die im schnellen Erzähltempo daherkommt. Dabei sind die beiden Hauptdarsteller immer ein sehr unterschiedliches, exzentrisches Paar und stehen sich zu Beginn feindselig gegenüber. Aber aus einem bestimmten Anlass müssen sich beide mit respektlosem Humor, schlagfertigen, intelligenten Dialogen und einer Prise Slapstick zusammenraufen, woraus zum Schluss eine Romanze oder gar Heirat wird. Manchmal auch eine Wiederverheiratung, wie in Alfreds Hitchcocks einziger Screwball-Komödie „Mr. und Mrs. Smith“ (1940). Hollywood drehte unzählige Filme nach diesem Muster, die heute auch als klassische Screwball-Komödien bezeichnet werden.

Cary Grant (links) und Kathrine Hepburn in „Leoparden küsst man nicht“. (Foto: IMAGO/Everett Collection)

Der Screwball und die exzentrischen Charaktere

Da die Absichten der ungemein exzentrischen Hauptfiguren zunächst überhaupt nicht klar sind, bekam dieses Filmgenre die Bezeichnung „Screwball“. Dieser Begriff stammt aus dem Baseball und bezeichnet eine Wurftechnik, wodurch der Ball mit einem Drall nach außen fliegt und eine unberechenbare Flugbahn erhält.

Insbesondere „Leoparden küsst man nicht“ (1939) von Howard Hawks, erhielt durch ihre extrem unberechenbaren Charaktere Kultstatus und gehört nach dem American Film Institute zu den besten amerikanischen Filmkomödien aller Zeiten. Darin spielt Cary Grant einen Wissenschaftler, der seit Jahren versucht, das Skelett eines Brontosaurus zusammenzusetzen. Dummerweise stellt er fest, dass ihm ein Knochen fehlt – was ihn ungemein stresst. Hinzu kommt, dass er auch noch wenige Stunden vor seiner Hochzeit Susan (Katharine Hepburn) kennenlernt. Einen entzückenden Freigeist, der ab und zu ziemlich geistesabwesend ist, wodurch sein Leben endgültig im Chaos versinkt.

„Niemand ist vollkommen“

Nach der Weltwirtschaftskrise und dem zweiten Weltkrieg war die Ära der klassischen Screwball-Komödien vorbei. Das Genre wandelte sich, indem die Gesellschaftskritik an den Superreichen entfiel. Doch noch immer ordneten sich erfolgreiche Screwball-Komödien wie Howard Harks „Liebling, ich werde jünger“ (1952) oder Michael Gordons „Bettgeflüster“ (1959) mit Doris Day und Rock Hudson in den Hauptrollen dem Hays Code unter.

Dies tat eine weitere Screwball-Komödie aus dem Jahr 1959 nicht: Billy Wilders Kultfilm „Manche mögen`s heiß“. Wodurch dieser Film mit seinen LGBTQ+-bezogenen Themen (unter anderem Männer in Frauenkleidung) und seinen überwältigenden Kassenerfolg im Wesentlichen dazu beitrug, den bereits angeschlagenen Hays Code aufzulösen. Zudem erhielt der Kostümbildner Orry-Kelly für diese Screwball-Komödie 1960 einen Oscar für die besten Kostüme in Schwarz-weiß.

Jack Lemon als Jerry bzw. Daphne (links), Tony Curtis als Joe bzw. angeblicher Millionenerbe und Marilyn Monroe als Sugar in „Manche mögen`s heiß“. (Foto: IMAGO/Allstar)

In „Manche mögen`s heiß“ spielen Jack Lemon (Jerry) und Tony Curtis (Joe) zwei Musiker, die sich ende der 1920er-Jahre vor der Mafia verstecken müssen und sich dafür als Frauen verkleiden. Sie erhalten ein Engagement in einer Damenkapelle. Jerry wird als Daphne von einem älteren Millionär umworben. Joe streift ab und zu seine Damenkleidung ab, um sich als Millionenerbe getarnt an die Sängerin Sugar (Marilyn Monroe) heranzumachen. Dummerweise bleibt ihnen die Mafia auf den Fersen.

Jerry hat als Daphne verkleidet große Probleme, sich den Millionär Osgood Fielding III. (Joe E. Brown) vom Leib zu halten. Der Daphne unbedingt heiraten will, was sehr witzig im Abschlussdialog dargestellt wird.

Jerry als Daphne: „Ich habe eine dunkle Vergangenheit. Ich lebe seit drei Jahren mit einem Saxofonspieler zusammen.”

Osgood: “Ich vergebe dir.”

Jerry als Daphne: “Du vergibst mir… Ich kann niemals Kinder kriegen.”

Osgood: “Wir adoptieren welche.”

Jerry als Daphne: “Argh, verstehst du denn nicht Osgood“ und reißt sich die Perücke vom Kopf. „Ich bin ein Mann!”

Osgood: “Na und? Niemand ist vollkommen.”

Womit diese Screwball-Komödie, die sich ebenfalls in die Riege der besten amerikanischen Filmkomödien aller Zeiten einreiht, endet.

Das Vermächtnis der klassischen Screwball-Komödien

Erst im Jahr 1967 wurde der kaum noch beachtete Hays Code endgültig abgeschafft. Viele Komödien und Comedyserien hatten zu dem Zeitpunkt Elemente aus den klassischen Screwball-Komödien übernommen, insbesondere den schnellen, humorvollen Dialog-Schlagabtausch.

Screwball-Komödien mit ihren satirischen Liebesgeschichten und dem Kampf der Geschlechter wurden in Hollywood immer seltener produziert. Doch wenn, dann orientierten sie sich oft an den klassischen Screwball-Komödien aus den 1930er und 1940er-Jahren. Darunter Peter Bogdanovichs erfolgreiche Screwball-Komödie „Is` was, Doc?“ aus dem Jahr 1972. Darin verkompliziert Barbara Streisand als chaotische Studentin Judy Maxwell, das Leben des immer zerstreuten Musikwissenschaftler Dr. Howard Bannister, gespielt von Ryan O’Neal. Für diesen urkomischen Film orientierte sich der Regisseur an Howard Harks „Leoparden küsst man nicht“ (1939).

Unter der Regie von Ol Parker entstand die aktuell neueste Screwball-Komödie „Ticket ins Paradies“ (2022). Für die Story orientierten sich Parker und der Drehbuchautor Daniel Pipski, an der klassischen Screwball-Komödie „Sein Mädchen für besondere Fälle“ (1940), wieder ein Film von Howard Hark.

Kaitlyn Dever (links), Julia Roberts und George Clooney (2. von rechts) in „Ticket ins Paradies“. Der Film ist auf DVD und Blu-ray erhältlich. (Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Universal Pictures)

In dem Film streitet das Ex-Ehepaar, die Galeristin Georgina Cotton (Julia Roberts) und der Architekt David Cotton (George Clooney) die ganze Zeit miteinander. Gleich zu Beginn wird ihre gegenseitige Abneigung in einem bissigen Dialog dargestellt, indem ihre Tochter Lilly (Kaitlyn Dever) zwischen den Fronten steht.

Lily telefoniert mit ihrer Mutter Georgina. Die beiden reden darüber, wer an ihrer College-Abschlussfeier wo sitzt. Georgina will bloß nicht neben ihrem Ex-Mann sitzen. Während des Telefonats nimmt sie gleichzeitig auf der anderen Leitung ihren Vater entgegen.

Lily: „Hey Dad, Mum ist auf der anderen Leitung.“

David: „Grüß sie nicht von mir.“

Lily: Ihr sitzt nicht nebeneinander o. k.? Ihr sitzt im jeweils anderen Ende der Aula, die so groß ist wie Road Island.“

David: „Der kleinste Bundesstaat.“ Und legt sofort wieder auf.

Natürlich sitzen sie später in der Aula nebeneinander.

Trotz ihrer Abneigung versuchen Georgina und David kurze Zeit später zusammen auf Bali die übereilte Hochzeit ihrer Tochter Lily zu vereiteln. Dabei werfen sie sich immer wieder gegenseitig ihre angeblichen Kompetenzlosigkeiten vor. Selbstverständlich endet der Film, wie es sich für eine Screwball-Komödie gehört, mit einem Liebes-Happy-End.